Günther Hummel, Bildhauer


Zeitzeugen sprechen vor dem Reichstag

Kultur und Kunst sind unser Gesicht


LIEBE LANDSLEUTE!


Heute sind wir da, um gedenken an die verstorbenen, umgekommenen und vertriebenen Deutschen aus Russland infolge des Erlasses vom 28 August 1941 in der ehemaligen UdSSR.


Dank guter organisatorischer Arbeit der Landsmannschaft, dem Verein und der Redaktion „Heimat" und anderen Organisationen, feiern und trauern wir Jahr um Jahr und besonders heute, am 65. Jahrestag.


Diese Gedenktage sind sehr wichtig nicht nur für uns, die ältere Generation, aber auch zur Aufklärung der Einheimischen und des jüngeren Nachkommens.

Nach 65 Jahren sind die verdammten unschuldigen Deutschen von der russischen Regierung noch nicht rehabilitiert. Offensichtlich wirken in den Regierungskrisen noch viele Menschen mit, die so ein Verfahren nicht zulassen wollen und jede Bemühung verhindern. Warum sind wir hier? Um zu demonstrieren und zu gedenken der vielen Opfer, damit es nicht wieder zu so einer Tragödie kommt.


Weltweit werden Menschen vertrieben und man soll von der Geschichte lernen. Es soll auch nie in Vergessenheit geraten, wie viele unschuldige Menschen dem diktatorischen Regime geopfert wurden. Es wurde ein Krieg gegen das eigene Volk geführt, niemand wurde verschont: Russen, Ukrainer, Armenier, Aserbaidschaner, Letten, Litauer, Esten, Usbeken, Kasachen und viele andere. Aber am schlimmsten hatten es die Deutschen. Es wurde ein ganzes Volk beschuldigt und nach Sibirien, Kasachstan und Mittelasien deportiert. Das war einmalig in der Geschichte der Menschheit.


Selbst in meiner Verwandtschaft wurden neben meinem Vater Wilhelm Hummel, einem- Lehrer und Schulleiter in "Helenendorf (Kaukasus) acht Männer und eine Frau verhaftet, erschossen oder zu 10 Jahren verurteilt. Sie kamen nie wieder zurück. Man konnte ihnen keine Schuld nachweisen und post mortem wurden sie in den Jahren 1969-1979 rehabilitiert. Ich kann mich noch gut daran erinnern als am 8. März 1938 um 2 Uhr Nachts an der Tür dermaßen fürchterlich gewettert wurde, dass alle im Haus erschrocken aufwachten. Vater saß noch hinter dem Schreibtisch und arbeitete. Die NKWD-Männer kamen rein, überwühlten alles, durchsuchten die Bücher und warfen sie auf den Boden. Sie verhafteten unseren lieben Vater, er kam nie wieder zurück. Nach unendlichen Nachfragen in den 60er Jahren bekamen wir eine kurze Antwort: „Wilhelm Hummel wurde wegen Spionage von der Troika verurteilt und am 8. Oktober 1938 erschossen". Was konnte ein Lehrer ausspionieren? Die Sowjets wollten nur eins, gezielt die Intelligenz zu erschlagen. Das Schicksal der Deutschen in Russland war immer dramatisch und man fühlte sich fremd, niemals sicher.


Ich habe in Erinnerung eine Reihe von 27 Zeichnungen unter dem Titel „Die Auswanderung deutscher Kolonisten nach Russland und ihr Schicksal" geschafft. Sie entstanden aus Erzählungen von Großeltern, Eltern und aus eigenen Erfahrungen. Was war der Grund für das Unverständnis?


Die kinderreichen, religiösen, disziplinierten und fleißigen Deutschen haben in der Fremde sehr viel geleistet, dass Eifersucht und Neid bei den Benachbarten hervorrief. Aber noch schlimmer war, dass von der Seite der regierenden Herrschaften Hass und Verdammung provoziert wurden. Das Projekt, die Deutschen nach Sibirien zu schicken, war in der zaristischen Regierung von Nikolaus II dazu bestimmt, um die Landwirtschaft zu fördern. Nur die Oktoberrevolution im Jahre 1917 konnte es verhindern, aber bald kam es wieder zu Schwierigkeiten - Enteignung, Kollektivierung, roter Terror und Säuberungen

standen an der Tagesordnung. Unmittelbar nach dem Anfang des Zweiten Weltkrieges wurden alle Deutschen nach Sibirien und Kasachstan ausgesiedelt. Über diese schwierige Zeit wurde viel geschrieben und diskutiert. Ich selbst als 15-jähriger Bursche wurde im Jahre 1942 in die Trudarmee nach Karaganda mobilisiert und musste in der Kohlengrube 41/51 unter Tage 12 Stunden als Holzschlepper arbeiten. Wie Verbrecher lebten wir in Erdhütten in einer Zone hinter dem Stacheldraht. Diesen Zaun mussten wir selbst bauen und sich auch einsperren Das war unglaublich erniedrigend. Man stellte sich die Frage - warum? Was haben wir, junge Menschen, verbrochen? Lieber wären wir an die Front gegangen...


Das Schicksal meiner Landsleute liegt mir in den Knochen und ich arbeite an diesem Thema lebenslang. Ich habe mehrere Entwürfe für ein Denkmal der Russlanddeutschen geschaffen, aber ohne einen bestimmten Platz geht die Arbeit nicht weiter. Wir brauchen ein Denkmal für die durch das durchgeführte Genozid Verstorbenen und Umgekommenen. An diesem Platz könnten unsere Landsleute der Opfer gedenken, Blumen niederlegen und beten. Viele unserer Landsleute haben bereits gespendet und spenden immer noch für das Denkmal. Wir fordern kein Geld von der Obrigkeit,aber brauchen einen bestimmten 'Platz für den Aufbau des Denkmals. Viele Jähre ringt die Vereinigung „Heimat" und die Zeitung „Heimat" um ein Grundstück, aber die Regierung reagiert nicht. Wenn jeder Deutsche aus Russland nur einen Euro spenden würde, hätten wir genug Geld für ein Denkmal. Gedenken über die Vergangenheit ist sehr wichtig - auch für die jüngeren Generationen. Es gibt ein eindrucksvolles Sprichwort „Wer auf die Vergangenheit mit einer Pistole schießt, dem wird die Zukunft mit einer Kanone zurückschießen". Der Mensch ist eben so geschaffen, er will seine Identität erkennen, so wie jeder Mensch jeder Nationalität will wissen, „von wo komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich?". Und das ist sehr wichtig für jeden von uns.


Warum sind wir nach Deutschland gekommen? Obwohl wir in der UdSSR in der letzten Zeit nicht schlecht gelebt hatten? Wir hofften, eine Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder zu erreichen. Nicht materielle Interessen haben uns nach Deutschland geführt. Man wollte zurück in die Heimat der Ahnen, sich identifizieren und sich ein Zuhause sichern. Wir hassen nicht die Russen, Kasachen und andere Völker der GUS-Staaten und auch nicht Russland und Kasachstan und andere Staaten der ehemaligen UdSSR - sie sind unsere alte Heimat und mit vielen Nationen sind wir befreundet.- Es geht um eine Heimat, wo man zu Hause in Geborgenheit ist und wo man nicht mehr wegen seiner Nationalität benachteiligt wird, man will unter den Deutschen als Deutscher sein. Sich der Kultur, Geschichte und Sitten anpassen.  Darum sind wir auch hier, weil wir von vielen Mitbürgern, der Politik und Medien nicht akzeptiert und verstanden werden -jetzt endgültig im eigenen Lande und wieder in eine Entfremdung geraten. Familien sind zerrissen, wir haben Probleme mit der Integration.


Integration ist lebenswichtig, aber dazwischen liegen Welten. Das, was wir uns vorgestellt haben, ist ganz anders. Was wir gelernt haben, muss umgeschult werden, die Sprache muss beherrscht werden...

Auch unsere Kultur ist einmalig. Dank unserer Verleger Waldemar Weber, Robert Burau und anderer Menschen können unsere Autoren wertvolle Bücher herausgeben, die über die tragische Vergangenheit und zukünftige Probleme berichten. Auch Lyrik - wunderbare Gedichte werden verfasst. Es sind viele Autoren von unseren Leuten bekannt, die eine sehr wichtige Arbeit leisten - wie Gerhardt Wolter, Viktor Heinz, Nelly Das, Reinhold Frank, Friedrich Schiller, Wendelin Mangold, Nelly Wacker, Johann Warkentin, Edgar Reitenhach, Eugen Fotteler, Johann und Hans Kämpen, Johanna Jenn und viele, viele wichtige Autoren, die unsere Kultur und Geschichte prägen. Es gibt schon zahlreiche Musikkollektive, Orchester, Tanzgruppen und Chore - das ist sehr erfreulich und sorgt für gute Stimmung und Integration. Aber es ist nicht die ganze Kulturebene. Die bildenden Künstler sind allein gelassen. Es sind viele gute Künstler tätig, die auf Ausstellungen in verschiedenen Städten Deutschlands, Frankreichs, der Niederlanden zu bewundern sind, aber wer von unseren Landsleuten weiß von z.B. Nikolaus Rode, Jakob Wedel, Paul Krenz, Helmut Frelke, Waldemar Schröder, Johannes Sommer, Johannes Alles, Viktor Knack, Waldemar und Zoja Kebleris, Willi Bunkowski, Dmitrij Härtung, Rudolf Kosov, Viktor Hurr und vielen, vielen anderen, auf die man stolz sein kann. Manche sind alt vad einige verstorben: Jakob Weber, Peter Dyck, Theodor Cerzen, Michael Disterheft, Isolde Hartwahn, Marina Hartwahn u. a. Wo sind ihre Arbeiten? Die ältere Generation verschwindet langsam und ihre Werke landen auf dem Scheiterhaufen oder im besten Falle in Privatbesitz von sie der Öffentlichkeit und Betrachtern unzugänglich sind. Ein Museum für die Russlanddeutsche Bildende Kunst ist dringend nötig, wo die Kunstwerke aufbewahrt, wissenschaftlich bearbeitet werden und planmäßig ausgestellt werden könnten. Es wäre schade und unersetzbar, wenn unsere Kunstwerke so verschwinden würden. Es ist eine wahrhaftige Fundgrube, die mit der Zeit einen unschätzbaren Wert hätte. Es gibt schon Anfänge: Unsere Enthusiasten Amalia und Reinhold Zielke aus Nidda, Viktor Fromm aus Berlin und Frau Neufeld aus Detmold. Dank ihren Bemühungen werden wertvolle Gegenstände, Zeichnungen, Kataloge, Bücher, Bilder u. a. gesammelt, aber leider haben sie kein Geld und tragen die Kosten selbst, das Geld nehmen sie aus ihrer eigenen Rente. Sie verfügen nicht einmal über geeignete Räume Sie brauchen Unterstützung, um diesen guten Anfang weiter fördern zu können.


Eine große Hoffnung gibt uns Baronesse Frau Gisela Limmer von Massor. Ihre Bemühungen, um unsere Kultur zu unterstützen sind sehr wichtig. Sie verfügt auch über exzellente Räume in der Stadt Boma.

Ihre Initiative - ein Unterkunft für Werke der bildenden Kunst, Bücher, Dokumente, sogar Theaterveranstaltungen - könnten unsere Kultur enorm fördern. Sie braucht aktive Unterstützung und Initiative auch von unseren Landsleuten, um das große Unternehmen zu gestalten. Herr Heinrich Neugebauer hilft aktiv, Wanderausstellungen in verschiedenen Städten der Republik zu veranstalten. Es sollten mehr Landsleute mitmachen, denn zusammen sind wir stärker.


Ein Sonderfall: Dr. Johann Windholz hat über sein ganzes Leben hinweg Volklore, Musik, verschiedene Tanzgruppen, Chore und Volkswitze gesammelt und auf Video aufgenommen. Es ist ein Zeugnis wie unser Volk in der Fremde das Deutschtum erhalten und gefördert hat trotz vielen Schwierigkeiten und Verhinderungen. Aber leider ist dieser Schatz in der heutigen Situation nicht angekommen und liegt im Keller, niemand interessiert sich dafür. Es ist zum Aufschreien, wie wir behandelt werden! Darum müssen wir unsere Kultur in Zukunft auf eigene Verantwortung durchsetzen und manchen Betonköpfen es aufklären, um solch einen Verlust zu vermeiden.


In unseren Zeitungen und Zeitschriften müsste es mehr über Künstler berichtet werden. Kultur fordern ist für uns überlebenswichtig. Literatur, Geschichte und Kunst sind Bestandteil der Identifikation und Integration, sind wichtig für Aufklärung und Zusammenleben. Kultur und Kunst sind unser Gesicht.


Günther Hummel, Bildhauer


Günther Hummel (zur Person)


Die wichtigste Besonderheit des Schaffens von Günther Hummei ist seine untrennbare Verbindung mit" Seinem Volk - dessen Schicksal, deren Geschichte. Die intellektuelle Freiheit war und ist für Herrn Hummel eine moralische Kategorie, und aus diesem Grunde ist es schwierig, seinen Beitrag sowohl in die Weltkultur als auch in die Kultur seines Volkes zu überschätzend Sein Volk sind die Russlanddeutschen, und diesem Volk gehört er mit seinem Fleisch und Blut an. Ein erfreuliches Ereignis in: unserer Kultur stellt eine vor kurzem veröffentlichte Reihe der Arbeiten von Günther Hummel unter dem Titel „Die Geschichte der deutschen Kolonisten in Russland" dar. Diese Zeichnungsreihe zeigt die zweihundertjährige Geschichte der Deut-schen — von den ersten Auswandererwagenzügen bis zur heutigen Ausreise unseres Volkes in die Heimat der Ahnen. Die Ausstellung seiner graphischen Arbeiten kann man sich hier, auf dem Platz, ansehen. Besonders eindrucksvoll konnte Günther Hummel das Leid der Russlanddeutschen während des, Genozides im Zweiten Weltkrieg wiederzugeben.

Seine Arbeiten befinden sich in Museen von Moskau, St. Petersburg, Almaata sowie in verschiedenen deutschen Ausstellungssälen und Kirchen. Zurzeit befasst sich Herr Hummel intensiv mit dem Projekt bezüglich der Errichtung eines Denkmals für die Russlanddeutschen - davon träumt er schon seit längerer Zeit, aber er weiß, dass die Denkmalerrichtüng ohne Unterstützung seitens der Bevölkerung nicht möglich ist. Diese Unterstützung braucht man, um die Pläne des talentierten Bildhauer und Maler ins Leben umzusetzen, damit das Andenken an diejenigen Menschen; die den glücklichen Tag der Befreiung nicht erleben durften, bewahrt werden könnte.          


Kultur und Kunst sind

unser Gesicht

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